Südostasien by Edith Konrad
Autor:Edith Konrad
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: ikon VerlagsGesmbH
veröffentlicht: 2016-11-15T00:00:00+00:00
Thailand – Digitalzeitalter stiehlt Achtsamkeit, oder doch nicht?
„Erfahrungen vererben sich nicht –
jeder muss sie alleine machen.“
Kurt Tucholsky
Unglaublich peinlich waren uns während der ersten Thailandreisen in den neunziger Jahren die Fragen hinter vorgehaltener Hand, ob man denn in diesem Land angesichts des allgegenwärtigen Sextourismus Urlaub machen könne. Heute fragt das keiner mehr, Thailand ist auch bei Europäern ein beliebtes Reiseziel geworden; auch wenn Sextourismus immer noch ein „Wirtschaftszweig“ und für viele Frauen und Männer einzige Einkommensmöglichkeit ist, so hat sich das Land, in dem das Lächeln zu Hause ist, doch auch als Tourismusland für Familien, Abenteurer, Kulturinteressierte und Strandurlauber entwickelt. Die zunehmende Abhängigkeit vom Tourismus bringt die letzten Jahre auch Probleme mit sich, immer dann, wenn Krisen Einbrüche in der Tourismuswirtschaft zur Folge haben, wie etwa die Vogelgrippe, der große Tsunami vor mehr als 10 Jahren, politische Unruhen, die Auseinandersetzungen zwischen Rot- und Gelbhemden und der Militärputsch im Mai 2014 36, oder der schlechte Eurokurs und die Rubelabwertung, die aktuell einen Rückgang bei den Touristenzahlen europäischer und vor allem russischer Gäste verursachen, wie beispielsweise in den thailändischen Tages- und Wochenzeitungen wie der Phuket News 37 fast täglich zu lesen ist.
Verändert haben sich seit den neunziger Jahren nicht nur die Orte, sondern auch die Menschen. Sichtbar, indem die kleinen, zierlichen Thais immer dicker werden. Fast Food macht es auch hier möglich, zwanzig bis dreißig Jahre später als in den Vereinigten Staaten und Europa, wo man seit Jahren wieder auf neue Trends und gesündere Ernährung setzt. Manchmal erfolglos – wie uns die Iren gerade beweisen. So hat die Weltgesundheitsorganisation, WHO, anlässlich des Kongresses zu Übergewicht in Prag gerade einen aktuellen Bericht veröffentlicht, dass 2030 fast alle erwachsenen Iren übergewichtig und nahezu 50 Prozent fettleibig sein werden. 38
Die jungen Thais haben nicht nur das Fast-Food-Essen von den Touristen „gelernt“. Sie verhalten sich mittlerweile sehr ähnlich den Gästen, die seit mehr als 40 Jahre in ihr Land kommen: Sie begrüßen die Fremden mit Handschlag, vor zwei, drei Jahrzehnten noch undenkbar. Immer mehr Frauen fahren Auto. Jüngere Semester gehen am Wochenende mit Kind und Kegel baden. Sie können heute auch durchwegs schwimmen. Wassergeister hin oder her. Sie flanieren händchenhaltend am Strand entlang und betreiben zunehmend auch Sport. So ist mir auch beim vorletzten Thailandurlaub in Bangtao regelmäßig eine junge Thailänderin beim morgendlichen Joggen begegnet – wir haben beide ordentlich geschwitzt, ich in Laufshorts und T-Shirt, sie, eine Muslime, in langen Leggins und mit Kopftuch. Und wir haben uns täglich freundlich zugewinkt.
Nicht auf den ersten Blick zu sehen sind die Veränderungen von Haltungen und Einstellungen. Klassische Veränderungen, die in Wohlstandsgesellschaften ein Nebenprodukt von zunehmendem Materialismus sind. 39 Diese fallen uns bei genauem Hinschauen von Jahr zu Jahr mehr auf. Abgrenzung, Individualismus, Neid und Konkurrenz werden zunehmend spürbar – in einer Gesellschaft 40, die die Familie, Glauben und Spiritualität und vor allem sozialen Zusammenhalt über Generationen gepflegt hat. Die Digitalisierung der Welt - in Asien streckenweise wesentlich weiter fortgeschritten als in vielen europäischen Ländern - bringt das zwangsläufig mit sich. Von einer industriellen Revolution, getrieben von der digitalen
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